Am 10.12.2025 besuchte Norbert Sachse (*1953) zusammen mit seiner Frau die Basiskurse Geschichte (K2) auf Einladung von Frau Schweigert und Herrn Rühl. Der DDR-Zeitzeuge las nach einer kurzen Vorstellung aus seinem Buch „Die Akte S. Fünf Jahre in den Mühlen des MfS.“ vor, berichtete danach noch aus seinem Leben und beantwortete etliche SchülerInnen-Fragen.
Herr Sachse wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf, durchlief die SED-Kaderschmiede, seine Eltern waren Mitglieder der SED. Nachdem der Prager Frühlings 1968 niedergeschlagen wurde, sagte er sich vom Kommunismus los und wurde Widerständler. Als 17-Jähriger geriet er nach einer misslungenen Flugblattaktion in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) ins Visier der Staatssicherheit. 1971 wurde er ins Gefängnis Kaßberg gebracht. Tag und Nacht war das Licht in der Zelle an, man wurde verhört, willkürlich verlegt und musste ohne anwaltliche Unterstützung durchhalten. Nach mehreren Verlegungen kam Herr Sachse schließlich in das Fort Zinna in Torgau. Jugendliche und Erwachsene sowie alle zum Tode verurteilten verbrachten ihre Zeit dort, bis zu ihrer Hinrichtung in Leipzig. Die Gebäude waren umgeben von hohen Mauern, Wachtürmen und Gittern. Schon ab 1936 war es ein Gefängnis und wurde zum größten Wehrmachtgefängnis des Deutschen Reichs ausgebaut.
1973 wurde Herr Sachse aus der Haft entlassen, nachdem 1972 eine Amnestie für etwa 32000 Häftlinge beschlossen wurde. Die DDR wollte durch diese Entspannungspolitik demonstrieren und im Vorfeld wegen des Grundlagenvertrags mit der BRD ein positives Signal senden. Nach Ablehnungen der Ausreiseanträge Sachses fuhr der Zeitzeuge 1974 nach Berlin, was ihm nicht gestattet war, da er sich nicht im Grenzbereich aufhalten durfte. Auf dem Berliner Alexanderplatz übergoss er sich mit einer selbstgemixten Chemikalie und zündete sich an. Er wurde gerettet, kam in die Haftpsychiatrie und kam nach Bautzen II, der Sonderhaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), dem so genannten „Stasi-Knast“. Dort waren ca. 200 politische Sondergefangene in einem Hochsicherheitstrakt untergebracht.
1975 kam Herr Sachse nach 36 Monaten Haft durch einen Freikauf der BRD frei und ging nach Göttingen. Dort machte er eine Ausbildung, ging dann nach Spanien, wo er seine Frau kennen lernte, um über München und Bad Kissingen nach Heidelberg zu ziehen, wo er heute noch lebt. Seine Stasi-Akte hat über 2000 Seiten, kam in einem riesigen Karton, den der Postbote nicht ausliefern wollte, weil er so schwer war. Sein Schicksal hielt Herr Sachse in seinem Buch „Die Akte S. Fünf Jahre in den Mühlen des MfS.“ fest. „S“ steht dabei für seinen Nachnamen.
Der Besuch war spannend, schon die Lesung zu Beginn fesselte die ZuhörerInnen, die Zeit verging rasend schnell. Durch den Besuch wurde Geschichte „hautnah“ erlebt, bekam ein „Gesicht und einen Namen“. Alle Anwesenden zeigten sich begeistert und interessiert, es wurden viele Fragen zur Haft und den Umständen gestellt, die alle geduldig wurden. Durch das Gespräch wurde eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart gebaut. Gern begrüßen wir Herrn Sachse wieder bei uns am Hilda!
Artikel: Frau Schweigert
