6000 Quadratmeter, 3500 Kunstwerke, 40 Jahre Sammlertätigkeit. 2 Kurse, 13 Schüler*innen, 120 Minuten. Als wir das Schauwerk in Sindelfingen betreten, stehen wir allein in den weiten, weißen Hallen. Für unsere beiden Kunstkurse hat der Kunsttempel seine Türen geöffnet – und von Beginn an beeindruckt. Die großen Installationen des New Yorkers Tom Sacks fesseln unsere Blicke: Sie führen tief ins Herz Amerikas, indem sie uns die Symbole der (kulturellen) Weltmacht vorführen; Nike und die NASA, das Sternenbanner und die Pop Art, das ist schnell konsumiert und liegt doch schwer im Magen – schließlich sind die Werke stets ironisch gebrochen, bissig in ihrer Kritik an Konsumlust und oft respektlos in ihren Bezüge zur Gesellschaft jenseits des großen Teichs. Sacks irritiert, indem er Sehgewohnheiten in Frage stellt. Und bleibt doch stets im Objekt verhaftet – der Mensch ist unsichtbar in seinem Kosmos der Anspielungen.
Ganz anders zeigen sich die Arbeiten Antony Gormleys. Der britische Künstler ist nicht nur das Thema des diesjährigen Kunstabiturs, sondern auch einer der wichtigsten Vertreter der figurativen Bildhauerei. Seine Plastiken aus Stahl und Eisen sind Werke, die um die Frage nach dem Körper kreisen: Wie verhält er sich zu seinem Umraum? Welche Kräftefelder gehen von ihm aus? Wie setzt sich der Betrachter zu ihm in Beziehung? Fragen also, die man anhand von Fotografien nur sehr eingeschränkt beantworten kann. Daher rührte unser Anliegen, Gormleys Werke ganz unmittelbar, gleichsam „hautnah“ in Augenschein zu nehmen. Und tatsächlich: Umschreitet man seine Figuren, so gewinnen die filigranen Metallgebilde an Präsenz. Die verschiedenen Arten der Metallbearbeitung werden sichtbar, die wandernden Reflexionen hauchen den Arbeiten Leben ein. Und der Kontrast zum bronzierten Diadumenos, einem antiken Glanzstück inmitten der modernen Werke, wird geradezu körperlich erfahrbar. Umso schöner, dass nach den Führungen noch genug Zeit bleibt, die Exponate zeichnerisch zu erfassen.
Als wir uns verabschieden, nehmen wir diese Zeichnungen mit, genau wie die Erkenntnis, dass Kunstbetrachtung letztlich nicht an den realen Objekten vorbeikommt und 120 Minuten im Schauwerk ganz erstaunlich schnell verfliegen.
Autor: Florian Adler